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Vor kurzem war ich auf einem Workshop zum Thema „Mischen nach der EBU Norm R 128“. Dabei geht es um die Einhaltung von Meßwerte, die darauf abzielen die Lautheit einzelner (TV) Sender untereinander anzugleichen. Ziel ist es, beim Switchen zwischen diversen Programmen die Lautstärke nicht nachregeln zu müssen. Ich möchte in diesem Artikel kurz auf die technischen Werte eingehen und ein paar Praxistipps aus meiner Erfahrung geben.
Zur Messung benötigt man ein Meßgerät, das den Spezifikationen der R 128 entspricht. Hardware gibt es z.B. von Jünger Audio, Plug Ins mittlerweile von vielen Anbietern wie etwa VisLM von Nugen, WLM von Waves oder das Hofa 4 U Meter (Freeware).
Es gibt beim ORF und den meisten europäischen Sendern drei wichtige Werte. Der Zielwert beträgt -23 LUFS. Ein LU entspricht einem Dezibel (dB), FS steht für Fullscale. Das bedeutet, der angestrebte Zielwert für das zu mischende Material (z.B. ein Beitrag, eine Sendung, ein Film, ein Werbespot,..) liegt bei -23dB unter dem digitalen Maximun (= 0 dbFS). Dieser Meßwert nennt sich auch Integrated, da er sich auf das gesamte Material bezieht.
R 128 definiert weiters den Short Term. Es handelt sich hier um eine Art RMS Wert mit extrem langsamer Rücklaufzeit (3 Sekunden!). Hier sieht man recht gut, wie sich das zu mischende Material bezüglich Lautheit entwickelt. Dann gibt es noch den Momentary. Er entspricht noch am ehesten einem RMS Wert (Rücklaufzeit 400 ms). Der Short Term und Momentary Wert dienen nur zur Information und sind in Österreich nicht mit verbindichen Werten fixiert.
Peaks dürfen auf einem True Peak Meter maximal -1 dBFS erreichen. Wird das Material datenreduziert (z.B. mpeg2, Dolby Digital) liegt der maximale Peakwert bei -3 dBFS. Da man nie genau weiß, ob das später noch passiert, sollte man zur Sicherheit immer auf -3 dBFS mischen. Es sollen dadurch Verzerrungen durch Intersample Peaks nach der DA Wandlung vermieden werden.
Der dritte wichtige Parameter auf einem EBU-konformen Metering nennt sich Loudness Range. Die Berechnung dieses Wertes ist relativ komplex. Einfach gesagt zeigt der Wert, wieviel Dynamik das Programmaterial hat. Eine Stereomischung darf maximal 15 LU (= dB) haben, ein Mehrkanalmix bis zu 20 LU.
Zu Beginn einer TV-Mischung stelle ich meine Abhörlautstärke immer auf den selben Wert. Empfohlen wird 79 dB C-gewichtet bei einem Pegel von -9 dBFS. Wr's genauer wissen will, wie das funktioniert...bitte selber googlen.
Ich habe eine für mich angenehme Lautstärke gefunden, die einem mittelauten TV Gerät entspricht. Diesen Wert ist auf meinem Monitorcontroller markiert. Mit einem SPL Meter nachgemessen habe ich allerdings nie. Durch die immer gleiche Abhörlautstärke spürt man nach einiger Zeit auch ohne Blick auf das Meßgerät, ob Lautheit und Dynamik passen.
Referenz für die empfundene Lautheit sind primär die Dialoge. Sie sollten daher möglichst um den Zielwert (-23dB LUFS) angesetzt werden. Off Sprecher und Voice Overs bei Dokumentationen können auch 1 LU (= dB) höher angesetzt werden. Wenn Musik in Szenen die Führung übernimmt, orientiere ich mich auch am Zielwert. Bei actionreichen Szene kann sie aber auch deutlich darüber sein (Short Term bis über -20 LUFS). Bei den Athmos bemühe ich mich, diese möglichst nicht unter -36 LUFS fallen zu lassen, außer die Dramaturgie verlangt es. Man darf bei TV-Mischungen nie vergessen, dass vor allem im Vorabendprogramm der Ton gegen viele Nebengeräusche (essen, Waschmaschine, Radio aus dem Nebenzimmer, Strassenlärm, usw..) ankämpfen muß. Eine Vorabendserie sollte daher meiner Ansicht nach kaum mehr als 7-8 LU (= dB) Loudnessrange haben.
Soundeffekte können manchmal einen beachtlich hohen Momentary Wert haben, ohne dass der gesamte Mix zu laut wird. Es geht bei dieser Art der Lautheitsmessung ja gerade darum, wieder Dynamik in den Ton zu bekommen.
Die EBU R 128 Lautheitsnorm hat seit ihrer Einführung 2012 die gefühlte Lautstärke der meisten TV-Sender gut angeglichen. Die Mischungen sind wieder dynamischer geworden, da massives Brickwall Limiting den Gesamtsound im Vergleich eher uninteressant macht. Trotzdem muss der TV-Ton gut komprimiert sein und „gesunde“ Mitten haben, da das Medium Fernsehen durch kleine Lautsprecher und Umgebungslärm relativ wenig Dynamik zulässt.
Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Meßwerte mit der gefühlten Lautstärke nicht übereinstimmt. Beispielsweise Dialoge vor breitbandigen Hintergrundgeräuschen wie etwas einem Wasserfall, wirken beim Einpegeln auf -23LU fast immer zu leise.
Wie es scheint, sind die Tage des "Loudness War" eh schon gezählt, da auch iTunes und Spotify angeblich schon Lautheitsmessungen verwenden. Sogar die ersten Radiosender (Norwegen, Deutschland) testen bereits Lautheitsmessungen mit unterschiedlichen Zielwerten.
Wie immer freue ich mich über Feedback zu meinen Blogs!
Eine Entschuldigung an alle Nicht-Techniker … dieser Blogbeitrag ist reiner Tech Talk :-(
Geposted von sounddirect am 5. Mai. 2015 | Kommentare (8)
andrea:
17. Nov. 2016 um 11:24 Uhr
Vielen herzlichen Dank für die Aufklärung!
werner h:
29. Dez. 2016 um 08:27 Uhr
da gibts nichts zu entschuldigen. wo kämen wir (Techniker) denn da hin :-) Bei dieser Gelegenheit möchte ich natürlich nicht verabsäumen, auch die besten Wünsche für das neue Jahr 2017 zu übermitteln
Tatjana Erkatz:
3. Jan. 2017 um 09:24 Uhr
Wann wurde denn die Lautheitsnorm EBU R 128 im EU Parlament beschlossen`?B
Oliver Kerschner:
27. Feb. 2017 um 05:19 Uhr
Die EBU R 128 wird meines Wissens in Europa seit ca. 2012 bei allen größeren Sendern verwendet.
thomas:
11. Jun. 2017 um 08:23 Uhr
Oliver hat Recht. das kann man auch schnell über google überprüfen! nur ein Tipp
ingrid H.:
11. Jun. 2017 um 09:41 Uhr
direkt ne Rarität :-)
Mick:
14. Jun. 2024 um 12:32 Uhr
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Mick:
14. Jun. 2024 um 12:35 Uhr
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