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Ein paar Anregungen zur Verwendung von Nachhalleffekten.
In meinen ersten Jahren als Mixdown Engineer war die Auswahl des passenden Halls noch eher Glückssache. Ich habe die Auswirkung diverser Parameter oft gar nicht richtig verstanden bzw. gehört. Noch dazu benannte jeder Hersteller von Hardware-Hallgeräten seine Parameter und Algorithmen anders, die man dann im Dschungel der Untermenüs erst mal finden mußte (Lexicon läßt grüßen). Mit Plug-Ins ist das heute etwas einfacher, da die meisten Einstellmöglichkeiten auf der Oberfläche des GUI (Grafical User Interface) zu sehen sind. Oft hilft noch eine grafische Darstellung von Early Reflectins und Nachhall.
Der Grundalgorithmus entscheidet, ob es eher ein großer Hall, ein kleiner Raum oder ein Effekt wird. Hier ein paar gängige Bezeichnungen und ihre Anwendung:
Reflexionsmuster großer Räume werden in Hallgeräten oder Plug Ins meist unter dem Begriff „Hall“ geführt. Dazu gehören auch „Church“, „Cathedral“, „Concert Hall“, etc.
mögliche Anwendungen: z.B Streicher, Orchester, Keyboardflächen, Stimmenhall (besonders im Schlager).
Vorsicht: Hall-Algorithmen können einen Mix sehr dicht und matschig klingen lassen. Hier hilft Reduzieren der Halldichte (Density)
Diese Algorithmen sind zur Nachbildung von (kleineren) Räumen gedacht. Entgegen der landläufigen Meinung zeigt sich eher bei kleinen Räumen, ob ein Hall Plug-In hochwertig ist, oder nicht. Room Presets eignen sich gut dazu, trocken aufgenommene Instrumente wieder in einen gemeinsamen Raum zu stellen.
mögliche Anwendungen: z.B. alle Instrumente, die „in der zweiten Reihe spielen sollen. z.B Drums, Klavier, Chor, kleine Streicher- oder Holzbläser Gruppen
Ursprünglich Metallplatten, die elektrisch zum Schwingen angeregt und wieder abgenommen wurden. Der Plattenhall ist eher weniger dicht. Er klingt sehr hell und wenig räumlich, dafür setzt er sich gut durch.
Anwendung: z.B. LeadVocals (wenig Density/Diffusion, nicht zu hell), Snare Drums und Percussion (mehr Density/Diffusion)
Hier wurde das Signal des Auxweges über Lautsprecher in einem meist halligen Raum abgespielt und mit Micros wieder aufgenommen. Der Effekt klingt tendenziell eher „vintage“ und oft etwas „dirty“. Chambers klingen nicht so natürlich wie Room-Algorithmen, meist aber räumlicher als Plates.
Anwendung: Ich verwende sie gerne, weil sie meistens mehr Charakter als Hall und Rooms haben. Chambers funktionieren für mich gut auf Orgel, Gitarren, Vintage-Pianos, Vintage-Strings, Vocals (langes PreDelay)
Als Early Reflections (ER) bezeichnet man die ersten Reflexionen, bevor sich das eigentliche Hallfeld aufbaut. ER und auch Ambiences erzeugen einen Raumeindruck, ohne das man den Hall bewußt wahr nimmt. Diesen Effekt kann man bis zu einem gewissen Grad auch mit einem Multi-Delay und etwas Feedback erzielen.
mögliche Anwendungen: z.B in dichten Mixes oder wenn man räumliche Dimensionen ohne Nachhall erzeugen möchte.
Hier handelt es sich um reine Effekte, nicht um Raumsimulation. Gated Reverb/Nonlinear klingt wie ein kurzes dichtes Pfauchen nach dem eigentlichen Signal. Dieser Effekt wurde in den 1980er Jahren verwendet, um mächtige Snare- und Tomssounds zu erzeugen. Reverse Hall erinnert an ein rückwärts laufenes Band bzw. ein „umgedrehtes“ Audio File.
mögliche Anwendungen: Toms a’la Phil Collins ("In the Air Tonight" gegen Ende des Songs), Snares (Bruce Spingsteen - "Born in the USA"), muted Guitars, schräge (Vocal) Effekte,..
Diese Art von Hall passt nicht nur gut auf Gitarren. Ich verwende Federnhalls, wenn’s mal etwas anders oder schmutziger klingen soll.
mögliche Anwendungen: Gitarren, Vintage Percussion, …
Der bekanneste Parameter jedes Hall Plug-Ins. Gemeint ist die Nachhallzeit, bis das Hallsignal unter -60dB fällt.
Hier wird die Raumgröße bei Raumsimulationen definiert. Dieser Parameter steht meist in Zusammenhang mit der oben beschriebenen Release Time.
Dabei geht es um den Abstand zwischen dem Direktsignal und den ersten Reflexionen(ER). Um lanweilige Theorie zu vermeiden – je länger das Pre Delay, desto näher wirkt die Klangquelle. Möchte ich die Lead Vocals vorne halten, dürfen es schon mal 30 – 50 ms sein. Bruce Swedien verwendet 100-120 ms, um die ER der natürlich aufgenommen Räume nicht zu überdecken. Ein PreDelay von 0-20 ms bringt ein Instrument eher in die „2. Reihe“.
Mit diesem Parameter regelt man die Dichte des Halls. Dichte, helle Halls eignen sich oft für Drums und Percussion. Lead Vocals klingen vor allem in dichten Arrangements offener mit kleinen Diffusion/Density-Werten
Wie oben schon erwähnt nennt man die ersten, einzelnen Reflektionen Early Reflections (ER). Werden diese dichter, spricht man vom eigentlichen Nachhall. Die ER sind sehr wichtig für den räumlichen Eindruck. Verwendet man ER ohne das eigenliche Hallfeld, kann man in einem dichten Mix immer noch sehr natürlich klingende Räume erzeugen, ohne das der Mix gleich „matschig“ klingt.
Das ist nur eine von unzähligen Benennungen. Im Kern geht es darum, wie stark der Nachall in den Höhen bedämpft wird. Helle Räume klingen oft dünn, zu wenig räumlich und zu sehr nach Effekt. Durch das Beschneiden oder Bedämpfen der Höhen kann man dem entgegenwirken. Viele klassischen Presets diverser Lexicon Hallgeräte haben über 4 kHz kaum mehr Frequenzanteile.
Hier ein paar Anregungen aus meiner persönlichen Trickkiste.
Im Folgenden eine sehr subjektive Auswahl an Plug Ins und Hallgeräten, die ich gerne verwende. Meine erste Wahl für Stimmen und auch für Raumsimulationen ist fast immer Lexicon und Valhalla. Besonders letzere Plug-Ins schätze ich wegen ihres offenen Klanges. Soll es „vintage“ klingen, überzeugen diverse UAD Plug-Ins (EMT, AMS RMX, 224L). Wenn es um reine Effekthalls geht, gilt natürlich alles, was gut passt (manchmal sogar TC-Halls, obwohl ich die nicht mag).
(Hardware) Halleräte verwende ich immer seltener, da sie für mich oft nur in Kombination mit analogen Mischpulten wirklich Sinn machen. Trotzdem haben viele dieser Geräte Charakter, der mit Plug Ins kaum erreichbar ist. Ein paar Beispiele:
Abschließend möchte ich nochmals betonen, das der ganze Blog meine subjektive Ansicht zum Thema Hall darstellt … 10 Tontechniker = 11 Meinungen ;-)
Er ist auch bei weitem nicht vollständig. Das Thema "Impulse Responses" etwa habe ich ganz bewußt nicht angeschnitten, da ich sie in Musikmischungen kaum verwende. Für mich klingen sie fast immer zu "tot" und sind selten gut an den jewiligen Song anpassbar.
Wie immer würde ich mich über Feedback, Anregungen und sonstigen Gedankenaustausch zu diesem Thema sehr freuen.
Geposted von sounddirect am 16. Jun. 2015 | Kommentare (0)