Letterhead

professional audio services

Suche

 

Heute möchte ich ein paar Gedanken zum wichtigsten „Instrument“ in der Popmusik teilen: der Stimme. Eine mitreissende Vocal-Performance ist eine der wichtigsten Zutaten für einem erfolgreichen Song. Dementsprechend sollte allen Vocals besonders große Aufmerksamkeit geschenkt werden!

Vocal Recordings

Aufnahmequelle – die Stimme

Bevor man sich Gedanken über technische Details macht, sollte man sich einer Sache ganz klar sein: wenn der Interpret (die männliche Form steht hier natürlich auch für Sängerinnen!) schlecht performt, zeichnet das weltbeste Mikrofon auch nur diese Performance auf. Daher sollte man immer darauf achten, dass während der Session eine entspannte Atmosphäre herrscht. Ich mache vor einer wichtigen Aufnahme auch gerne Probeaufnahmen, bei denen ich auf Tonhöhe, Tempo und mögliche Problempassagen achte. Dann kann sich der Interpret bis zum tatsächlichen Recording- Termin optimal vorzubereiten. Das reduziert meist auch den Erfolgsdruck.

Der Raum

Die nächste Proirität sollte der Aufnahmeraum haben. Klingt er schlecht und resonant, helfen auch hier gute Mikrofone und teure Aufnahmetechnik nicht.

Je kleiner der Raum, desto schneller sind die ersten Reflexionen von den Wänden wieder zurück und verfärben die Stimme. Auch Raumresonanzen sind in kleinen Räumen problematischer, weil sie oft zwischen 150 – 400 Hz auftreten und den Gesang schnell schwammig und dumpf erscheinen lassen.

Das Bedämpfen mit Vorhängen oder gar Eierkartons verstärkt das Problem nur noch. Es werden nur die Höhen reduziert und man hört die tiefer liegenden Problembereiche noch besser. Wer hingegen schon mal Stimmen in einem 10mx10m großen Saal mit 5m Raumhöhe aufgenommen hat, weiß, dass er mein Mixdown keine Raumresonanzen mehr herausziehen muss!

An dieser Stelle gleich ein paar Worte zum Mikrofonabstand. Ist er zu klein, bekommt man sehr schnell Probleme mit scharfen „S“, Exposivlauten (ploppende „Ps“) und auch Mundgeräuschen (Schmatzer, etc.). Diese Verzerrungen sind in der Nachbearbeitung kaum mehr weg zu bekommen. Bei etwas mehr Abstand (ca. 15-20cm) verliert man zwar etwas an Wärme (Nahbesprechnungseffekt). Das läßt sich mit einem EQ aber viel leichter wieder aufholen, als kaputte „S“ zu reparieren. Klingt der Raum nicht optimal, sollte der Abstand zum Mikrofon aber wiederum sehr klein gehalten werden. Hier muss man einen akzeptablen Kompromiss finden.

Die Technik

Die erste technische Frage lautet üblicherweise: Welches Mikrofon soll ich verwenden? Üblicherweise sind Großmembran-Kondensatormicro die beste Lösung. Sie klingen sehr hochauflösend und verzeihen kleinere Bewegungen des Sängers noch am Ehesten. Auch der Nahbesprechnungseffekt ist meistens willkommen.

Das beste Mikro ist aber immer das, welches die Stimme des Interpreten am besten im Song klingen lässt. Daher würde ich dringend dazu raten, auch andere Mikrofontypen auszuprobieren. Eine gute Wahl für Balladen oder Vintage-Sound sind meiner Meinung nach Bändchen-Mikros. Man braucht dazu aber einen möglichst rauschfreien PreAmp mit 70 – 80 dB Verstärkung. Mein Geheimtip für aggressive Vocals/Raps und schmatzende Sänger/Sprecher ist das Shure SM7. Es ist ein dynamisches Großmembranmikro und braucht leider ähnlich viel Gain, wie ein Bändchen. Dafür liefert es einen kompakten Sound in den Mitten ohne viel Mundgeräusche zu übertragen. Grundsätzlich würde ich hier selbst möglichst viel Erfahrung durch probieren sammeln und mich auf meine Ohren verlassen.

Gegen Explosivlaute sollte man bei Stimmen immer einen Popschutz verwenden. Dieser hilft auch gleich beim Einhalten eines Mindestabstandes zum Mikrofon. Aber Achtung – manche billigen Fabrikate „fressen“ sehr viel Höhen!

Das nächste Glied in der Aufnahmekette ist der MicPreamp. Er muss zum Mikrofon passen. Ein extraweicher Röhren-Preamp beispielsweise ist oft nicht die erste Wahl für ein superweiches Neumann U47. Andererseits wird ein eher hart klingendes AKG C414 nicht unbedingt mit einem modernen, schnellen Transistor-Preamp harmonieren. Vorverstärker der Firmen Neve oder Manley genießen in dieser Disziplin generell einen recht guten Ruf. Messwerte sind bei Mic-Preamps meiner Meinung nach eher wenig aussagekräftig, da man für Vocals kaum neutral klingende Vorverstärker sucht, sondern eher das Gegenteil.

Analoges Outboard schon bei der Aufnahme?

Meine persönliche Meinung: ja, unbedingt! Gute analoge Kompressoren und EQs fügen dem Signal harmonische Verzerrungen hinzu, die man mit Plug-Ins kaum bekommt. Wer schon mal mit einem Teletronix LA-2 Kompressor oder dem Höhenband eines Pultec EQP-1A aufgenommen hat, weiß, was ich meine. Gerade Opto-Kompressoren im Stil eines LA-2 oder einer Manely Voxbox sind für Vocals sehr geeignet und durchaus gutmütig. Auch der Interpret fühlt sich damit meist besser und sicherer. Nur unerfahrene Engineers sollten hier eher vorsichtig sein und ihr Outboard anfangs nicht zu aggressiv einsetzten. Auch wenn man den finalen Sound noch nicht genau im Kopf hat, ist Zurückhaltung manchmal angesagt, da man sich beim Mix mehr Möglichkeiten offen hält. Trotzdem sollte man zumindest mit analogen EQs und Kompressoren bei der Aufnahme immer wieder experimentieren. Die Ergebnisse sprechen üblicherweise für sich!

Kabel sollten möglichst gut sein, werden im Vergleich zur einer guten Performance und einem gut klingenden Aufnahmeraum aber fast immer überschätzt.

Das letzte Glied in der analogen Aufnahmekette sind AD-Wandler. Hier kann man mit billigen "Prosumer"-Audiointerfaces nochmals alles vergeigen. Das teuerste Kultmikro hilft leider nichts, wenn der Wandler alles flach und leblos macht. Weil ich an dieser Stelle aber keinen Glaubenskrieg anzetteln möchte, hier nur ein paar schnelle Tips zum Wandlerkauf. Optimalerweise sollte man sich Wandler ausborgen und unter realen Arbeitsbedingungen testen. Kurzes und schnelles Switchen bringt wenig, da der Wandler die Stimme möglichst farbenprächtig und emotional aufzeichnen soll. Das spürt man aber nur, wenn man länger hinhört oder einen Tag damit arbeitet.

 

Nachbearbeitung

Manchmal gibt es nach der Aufnahme Problembereiche, die man durch geschicktes Editieren noch ausbessern kann.

De-esser

Sind im Mix nach diversen bearbeitungen die „S“ zu scharf, hilft ein Deesser, der aber fast immer mit einem leichten Präsenzverlust einher geht. Wenn nicht zu viele zischelige „S“ im Song vorkommen, kann man sie aber ganz gezielt entfernen. Etwa die Audio Suite im Pro Tools eignet sich gut dafür. Man selektiert nur den Problembereich (z.B. scharfes „S“) im Audio Editor . Dann sucht man mit dem EQ die Frequenz, welche am meisten stört und reduziert sie ein paar Dezibel. Diese Einstellung rendert man nur auf den Problembereich. Damit bleibt der Rest der Gesangsspur unangetastet. Dieses Verfahren wendet man bei allen weiteren störenden „S“ bis zum Songende ebenfalls an.

Tonhöhenkorrektur

Vorab eine kleine Warnung - so großartig diese Tools beim Korrigieren von Intonationsprobelmen sind – man verliert dabei fast immer eine Spur Ausdruck und Emotion. Daher würde ich nur dort korrigieren, wo es notwendig ist.

Das Tool meiner Wahl ist hier Melodyne, weil es sehr vielseitig und bei vorsichtigem Einsatz auch kaum hörbar ist. Man sollte aber die Konsonanten abtrennen und nicht mitbearbeiten (dazu gibt es auf der Website von Celemony ein eigenes Tutorialvideo).

Declicker/Decrackler

Diese Tools wurden ursprünglich entwickelt, um Knackser und Klicks aus digitalisierten Schallplatten zu entfernen. Sie sind aber auch sehr hilfreich gegen schmatzende Interpreten und machen die Stimme meist auch etwas weicher. RX von Izotope finde ich hier recht praktisch, da sich der externe Editor über ein Plug-In in (fast) jede DAW integrieren läßt.

Resonanzen

Viele (kleine) Aufnahmeräume haben störende Raumresonanzen. Das bedeute, bestimmte Frequenzen klingen deutlich lauter als andere. Hier kann man mit einem möglichst neutral klingenden EQ Abhilfe schaffen. Man hebt ein schmales Band (Q-Wert 5-15) ca. 15 -20 db an und sweept langsam durch den Problembereich. Dort wo ein resonierender Ton entsteht, senkt man vorsichtig ein paar dB ab. Nachdem die wichtigsten Resonanzen gefunden und reduziert sind, schaltet man den gesamten EQ zum Vergleich auf Bypass. Die Stimme mit EQ sollte trockener und griffiger klingen.

Vocals im Mix

Hier noch ein paar Tipps für den Mix: Ist die Stimme zu dünn, hilft Parallelkompression. Meine Empfehlung wäre der MV2 von Waves, weil er sehr einfach zu bedienen ist. Ist der Gesamtklang zu scharf oder „brizzelig“, rechne ich oft ein Tape Plug-In auf eine Kopie der Spur. Dann kann ich in Ruhe beide Tracks vergleichen. Auch Simulationen von Mischpultkanälen (z.B. NLS von Waves Model „Nevo“) helfen der Stimme im Mix.

Hier jedoch der beste und gleichzeitig aufwendigste Trick, um eine Stimme kompakt zu bekommen, ohne sie tot zu komprimieren. Ich arbeite mich durch die gesamte LeadVocal-Spur durch und automatisiere alle zu leisen Silben nach oben bzw. alle zu lauten Passagen nach unten. Das sollte möglichst mit dem Clipgain und nicht mit der Spurautomation gemacht werden. Dadurch bekommen alle Inserts dieser Spur – wie etwa der Kompressor - ein viel gleichmäßigeres Signal!

Ich hoffe, es sind wieder einige interessante Informationen dabei. Wie immer ist alles hier Erwähnte meine persönliche Meinung, sehr subjektiv und bei weitem nicht vollständig. Über Kommentare und Anregungen würde ich mich sehr freuen.

Kommentare (1)

  1. Gernot:
    1. Mär. 2017 um 08:23 Uhr

    Wieder was gelernt, werd das mit dem MV2 probieren

Kommentieren

Kommentieren

Erlaubte Tags: <b><i><br>Kommentar hinzufügen:


Vocal Recordings

Vocal Recordings

×