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Da ich vor kurzem ein klassisches Orchester (ca. 50 Musiker) samt Chor (ca. 55 Musiker) und zwei Solistinnen aufnehmen durfte, möchte ich meine Eindrücke und Erfahreungen hier teilen.

Erster Schritt war eine Begehung des Konzertsaals mit der Veranstalterin, um festzulegen, wo genau das Equipment aufgebauen werden sollte. Wichtig war, einen geeigneten Platz für die Tonregie zu finden. Weiters wurde genau besprochen, wo Mikrofone aufgestellt und Kabel verlegt werden, ohne die Musiker zu beeinträchtigen.

Daruafhin wurde ein Bühnenplan mit Sitzordnung und genauer Aufstellung der Mikrofone und Kabelführung erstellt, was sehr hilfreich war, um die erforderliche Menge an Kabeln, Stativen und sonstigem Zubehör zu berechnen. Auch der Aufbau lässt sich dadurch schneller abwickeln.

Crashkurs in klassischer Aufnahmetechnik

Das wichtigest Element ist die Hautmikrofonie. Sie macht ca. 50 – 100% des Gesamtsounds aus und ist oft enges oder breites AB, ORTF oder NOS. In der Filmmusik überwiegt der Decca Tree.

Streicher werden mit sogenannten Outriggers (Auslegern) gestützt, das sie vor allem beim Orchestertutti vom Blech oft völlig übertönt werden.

Jede Orchestergruppe (Holz, Blech, Perkussion, Chor...) kann nach Bedarf mit Gruppenmikros gestützt werden. Hier muss aber meist die Laufzeit korrigiert werden.

Um einzelne Instrumente – z.B. Bei Solos – unterstützen zu können, verwendet man je nach Notwendigkeit sogenannte Spotmikrofone. Diese werden im Mix aber nur so leise dazugefahren, das eine Laufzeitkorrektur oft nicht nötig ist.

Setup

Meine Hauptmikrofonie waren zwei Neumann KM 184 (Kleinmembran, Kondensator, Niere) in etwas erweiterter ORTF-Technik. Aufgestellt habe ich sie auf einem Stativ mit Stereoschiene direkt hinter dem Dirigenten. Aus ca. 3,10 m Höhe waren diese beiden mittig in jeweils eine Orchesterhälfte gerichtet. Das Stereoset sollte später im Mix den Großteil des Gesamtsounds ausmachen und mußte daher mit entsprechender Aufmerksamkeit eingerichtet werden.

Main_Mics

Als Unterstützung für die Streicher verwendete ich zwei "Outriggers". Hier kamen Neumann KM 183 (Kleinmembran, Kondensator, Kugel) zum Einsatz. Wegen der großen Breite und sehr geringen Tiefe der Bühne mussten diese aus ca. 2 m Höhe fast senkrecht nach unten mittig in die Streicher gerichtet werden. Die Isolation der Strings gegenüber dem restlichen Orchester war aber dennoch erstaunlich hoch. Bei Kugelcharakteristik ist auch die seitliche Einstreuung des restlichen Orchesters erfreulich wenig verfärbt.

Outriggers

Ein Spotmikrofon auf die Kontrabässe gerichtet, sollte später im Mix den Frequenzbereich nach unten erweitern, ohne den gesamten Bass in der Hautmikrofonie anzuheben. So bleibt das Lowend relativ sauber.

Spot Mic DoubleBass

Der Chor konnte aus Platzgründen nur von der Seite mikrofoniert werden. Dazu habe ich zwei AKG C480 mit Kugelkapseln aus ca. 2,5 m Höhe in jeweils eine Hälfte des Klangkörpers gerichtet. Durch die etwas ungewöhnliche Aufstellung des Orchester hatte ich beim Mix hier auch die meisten Holzbläser sehr schön erfasst.

Choir_Mics

Pauken und Blechbläser waren in der Hauptmikofonie mehr als ausreichend abgebildet und brauchten keine Stütz- oder gar Spot Mikrofone.

Für die beiden Solisten wurden zwei AKG C414 mit Kugelcharakteristik auf einer Stereoschiene mit ca. 70 cm. Abstand verwendet. Das Stativ konnte aus Platzgründen nicht auf der Bühne stehen. Deshalb habe ich es beim Publikum direkt am Bühnenrand positioniert und bis auf Kniehöhe der beiden Solistinnen hochgefahren. Durch die etwas breitere AB-Aufstellung kam es auch bei Kopfbewegungen während der Performance kaum zu Pegelschwankungen. Ursprünglich wollte ich eine der beiden Mikrofone bei der Aufnahme 6 dB herunterpegeln, damit bei unerwarteten Pegelspitzen nur eines verzerrt. Beim Mix hätte ich den fehlenden Pegel wieder ausgeglichen. Dadurch, dass aber beide C 414 von schräg unten auf die stimmgewaltigen Sängerinnen gerichtet waren, gab es hier keine Probleme.

Vocal_Mics

Tonregie

Diese war seitlich neben der Bühne. Dadurch konnte ich die Kabel von den Mikrofonen zu den Preamps relativ kurz halten. Eine akustische Kontrolle war wegen der Bühnennähe aber eher problematisch. Aufgenommen habe ich mit einem speziell konfigurierten Windows-Laptop und Pro Tools.

Monitoring

Da es keine Gelegenheit gab, bei der Probe mitzuschneiden, war es sehr wichtig, rechtzeitig vor dem Konzert die Aufnahme zu beginnen und ausreichend lange nach der Zugabe den Schussapplaus mitzuschneiden. Auch musste ich alle Kabelverbindungen am Regieplatz ausreichen sichern, damit die Aufnahme während des Konzertes keinesfalls abbricht. Unmittelbar nach dem Event habe ich sofort eine Kopie des mitgeschnittenen Materials auf einer zweiten Harddisk gemacht. Backup-Recorder gab es aus Budgetgründen keinen.

Hier noch zwei sehr hilfreiche Hinweise zu diesem Thema

  • "Recording Orchester" by Richard King – dieses englischsprachige Buch gibt sehr detailierte Einblicke in klassische Orchesteraufnahmen mit vielen Illustrationen.
  • Neumann App "Recording Tools" – Die App der Firma Neumann gibt es kostenlos für Android und iOS. Sie hilft, Mikofonwinkel und -abstände zu berechnen.

Wie immer freue ich mich über Feedback und Anregungen zu diesem Blog. 

Kommentare (2)

  1. Achim Koester:
    12. Apr. 2023 um 08:51 Uhr

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