Interessiert?
Anfrage an: Link zur Kontaktseite (Javascript deaktiviert)
Vor kurzem hatte ich ein paar Rocksongs zu mischen, die stilistisch irgendwo im Bereich Hard Rock bis Metal angesiedelt waren. Schnell hat sich gezeigt, dass ich hier als kommerzieller Rock/Pop/R&B – Mixing Engineer mein Mindset etwas umstellen musste. Dabei habe ich einige Erfahrungen gemacht, die ich gerne weitergeben möchte.
Grundsätzlich gibt es in dieser Stilistik fünf Schwerpunkte: Drums, Bass, Gitarren, Vocals und der Mixbus. Keyboards/Loops lasse ich hier bewusst aus, das sich deren Bearbeitung nicht sehr von anderen Stilen unterscheidet.
Da im Metal die Anschläge oft sehr dicht kommen, ist es wichtig, schlanke, kurze und saubere Einzelsignale zu haben.Die Direktsignale (BD, SN Toms) müssen sehr genau gegated sein, es sollte möglichste wenig Bleed (Übersprechen) geben und die tiefen Mitte sollte man im Zweifel eher ausdünnen.
Trigger-Samples für BD, SN und Toms zu verwenden, ist für mich persönlich eher eine Notlösung zum Reparieren von Aufnahmefehlern und nicht die Regel. Echte Drums sind immer lebendiger und organischer als Samples. Drummer, Drumset und Raum müssen stilrichtig klingen, da Mikrofone nur das aufnehmen können, was sie „hören“. Kurz gestimmte, trockene und knackige Drums sind deshalb sehr wichtig.
Hier ein paar meiner Mix-Erkenntnisse zu den einzelnen Bereichen.
Gate, LowCut bei ca. 40 Hz und Bandsättigung sind Freunde der BD. Mit dem EQ breit die Mitten ziehen sowie kräftige Anhebung des Anschlages bei 4 -10 kHz bringt den typischen „clicky sound“. Limiter und Kompresor verwende ich auf dem Direktsignal sehr vorsichtig und nur bei Bedarf.
Um das LowEnd zu erweitern erzeuge ich einen Aux-Track mit einem sehr tiefen Sinuston in der Tonlage des Songs (z.B. 42 Hz bei E-Dur). Dieser Ton wird mit eine Gate stumm geschaltet und öffnet sich nur durch ein Sidechain-Signal der BD. Das bedeutet, die BD triggert den Sinuston. Der Effekt ist ähnlich einer SubKick-Aufnahme, nur ohne Übersprechen. Kommt die Kick im Mix schlecht durch, kann man den Bass per Sidechaining mit der BD als Trigger-Signal 2-3 dB „ducken“. Das bedeutet, die Kick drückt den Bass immer kurz nach unten, wenn sie spielt.
Eine der beliebtesten SNs in diesem Bereich ist angeblich die Ludwig Supraphonic mit 6,5x14. Als TopMicro beim Recorden empfehlen sich ein SM 57 und ein Kondensatormicro mit parallelem Kapselabstand, die mit Klemmen oder Gafferband fixiert werden. Im Mix liefert das SM 57 den Bauch und das Kondensatormic das Topend. Das BottomMic für den Teppich kann helfen, ist aber oft nicht so wichtig.
Mit EQ bei 10 kHz und ca. 3,5 kHz anheben, hilft der SN sich im Mix durchzusetzten. Schwammige tiefe Mitten ev. absenken und LowCut bei ca, 90 Hz.
Ein Kompressor mit RAtio 4:1, langer Attack (10-30 ms) und kurzer Release lässt die SN knackig. Der Urei 1176 funktionieren hier meist sehr gut. Die Fülle holen wir uns später mit Parallelkompression und den Overhead- bzw. Raummikros.
Achtung - bei der Aufnahme auf Bleed von der HiHat achten. Im Mix kann man sich mit einem dynamischen EQ (HiShelf) helfen, der bei den Anschlägen ganz aufmacht (kürzeste Attack!) und dann die Höhen schnell wieder mindestens um 10 dB reduziert. Als Startfrequenz würde ich ca. 700 Hz probieren.
Kommt die SN im Mix schlecht durch, kann man alle verzerrten Gitarren auf einen Bus legen und diesen per Sidechaining durch die SN „ducken“. Das bedeutet, die Snare drückt für einen kurzen Moment die Gitarrenwand weg.
Hier wird am häufigsten getriggert, da sich Bleed von den Becken kaum vermeiden lässt. Der dynamische EQ-Trick (siehe SN) funktioniert hier noch besser. Sauberes Gaten der Toms ist sehr wichtig, sauber schneiden fast noch besser.
EQ: 10 kHz mit Shelf anheben, LowCut je nach Tom so hoch wie möglich, ev. bei 1 kHz etwas ausdünnen. Resonanzen in den tiefen Mitten und Ringing absenken.
Kompressor mit Ratio 4.1 mittlerer Attack und mittlerer Release erhält die Anschläge, bringt aber schon etwas „Fleisch“ an die Transienten; mehr dann mit Parallelkompression und OH/Raum-Mics.
Mit diesen beiden Mics holen wir uns vorsichtig einen Teil der Fülle. Zuerst Resonanzen mit schmalem EQ vorsichtig reduzieren (Bereich um 200 Hz besonders beachten). Dann bringen wir mit eine Kompressor (Ratio 4.1, kurze Attack, Release passend zum Tempo) die SN unter Kontrolle. Die Overheads sollen relativ wenig Transienten haben, da sie die Direktsignale anfetten sollen. Ein LowCut zwischen 100 – 400 Hz je nach Tempo hält das Lowend trocken und direkt.
Hier ist starke Kompression mit kurzer Attack sowie Bandsättinung und sogar Verzerrung angesagt.
EQ: LowCut bei mindestens 100 Hz, Raumresonanzen reduzieren ( bei 200Hz und 800 Hz versuchsweise absenken). Sind die Becken zu laut, hilft ein HiCut-Filter.
Alle Drumspuren über einen Auxweg auf eine Stereospur routen und mit einem Kompressor ordentlich „smashen“ (Ratio 10:1, sehr kurze Attack und Release, 15 – 20 dB Pegelreduktion). Diese Spur kann dann vorsichtig zu den Drums gemischen werden, bis sie fett genug sind.
Der Bass ist oft als eine Erweiterung der Gitarren nach unten zu sehen. Wichtig beim Recorden ist das metallische „Klacken“ durch neue Saiten und die richtige Spielweise.
Ich verwende zusätzlich zur normalen Bassspur eine Parallel-Spur durch duplizieren des Originaltracks. Diese filtere ich sehr mittig und verzerre sie mit einem Sansamp (Pro Tools). Beide Spuren werden dann auf einen Bassbus mono zusammen geführt. Hier passiert dann die eigentliche Bearbeitung.
EQ – LowCut bei 60 Hz, mit HiCut bei ca. 6 kHz sinnlose Höhen wegfiltern
Kompressor – 4:1 bis 10:1, mittlere Attack, kurze Release, mindestens 6 dB Gainreduction. Urei 1176er Kompressoren funktionieren auch hier sehr gut.
Da das ein sehr weites Feld mit vielen Glaubenskriegen ist, möchte ich nur punktuell ein paar Anregungen liefern.
Die verzerrten Rhythmusgitarren route ich auf eine Buss und mache zwei Dinge.
EQ
- LowCut bei 90 – 100 Hz, damit der Bass Platz hat.
- Absenken bei ca. 4 kHz, damit die Stimme mehr Platz hat, Boost bei 1-2 khz, falls Mitte fehlen.
Ein dynamischer EQ reduziert die schwammigen Palm Mutes zwischen 80 – 320 Hz um ca. 5 dB mit schneller Attack und Release im Songtempo.
Kompression ist bei verzerrten Gitarren nicht notwendig, da sie sowiso kaum Dynamik haben.
Als Effekte funktionieren ein kurzes Slap-Delay und leichter Chorus zum Anfetten recht gut.
Neben richtiger Stimme und passendem Mikro (Shure SM7?) ist eine hochwertige Aufnahmekette sehr hilfreich, da die Stimme sich im Mix gegen Tonnen von Gitarren durchsetzten muss. Zu Beginn empfiehlt es sich, schwammige raumresonanzen schmalbandig abzusenken. Der bereits erwähnte Urei 1176 Kompressor bzw. diverse Clone machen eine sehr definierte, kompakte Stimme im Mix. Auch hier nicht auf den LowCut bei ca. 80-100 Hz vergessen.
Als Effekt auf Stimmen funktioniert ein Delay meist besser, als Hall, da es Größe und Raumeindruck erzeugt, ohne dicht zu machen. Kommt die Stimme nicht mehr durch, routet man die verzerrten Gitarren auf einen Bus und reduziert hier etwas die Höhen. Reicht das immer noch nicht, kann man den Gitarrenbus per Sidechaining durch die Stimme „ducken“.
Im Mixbus sollte von Anfang an ein Kompressor hängen, der maximal(!) 4-5 dB Gainreduktion macht. Ich liebe den Hardware API 2500 mit folgender Einstellung
Ratio 4:1, Attack 10 oder 30 ms, Release 50 od. 100 ms.
Verkoppelung links-rechts 70 %, LP
Thrust-Schaltung: Medium Knee – Medium Loud – New
Weiters verwende ich hier gern die Virtual Tapemachine von Slate Digital. Achtung – dabei verliert man Höhen. Daher unbedingt von Beginn an im Mixbus lassen und möglichst leicht einstellen.
Ein Limiter zu Kontrolle der Transienten sollte erst gegen Ende des Mixes in Spiel kommen und nach einer mindesten 10 minütigen Pause für die Ohren! Generell sollte man bei Bearbeitungen im Mixbus sehr genau und vorsichtig sein, da hier der gesamte Mix verbessert aber auch verschlechtert werden kann. Weniger ist hier fast immer mehr.
Hier noch ein kleiner Trick, falls der Aufnahmeraum für die Drums zu klein klingt. Man kann sich eine kurzen, großen Aufnahmeraum mit eine guten (!) RoomVerb nachbauen. Dazu erzeugt man einen neuen Post Fader-Auxweg und öffnet dort eine passenden Raumeffekt. Diese dann nach Geschmack komprimieren und ev. das PreDelay des Raumes auf 20 ms und mehr vergrößern (Steve Albini läßt grüßen). Auch hier - wie bei allen Reverbeffekten - einen LowCut bei mindesten 90 Hz setzten, damit die Bässe nicht matschig werden.
Wie immer freue ich mich über Anregungen, konstruktive Kritik, Erfahrungsaustausch und sonstige Rückmeldungen. Der Blog darf auch gerne geteilt und weiterverbreitet werden.
Geposted von sounddirect am 19. Apr. 2020 | Kommentare (0)